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Viele Eltern sehen gute Fremdsprachenkenntnisse als entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft ihrer Kinder. Tatsächlich bestätigen Entwicklungspsychologen, dass Mehrsprachigkeit in jungen Jahren viele Vorteile bietet: „Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, entwickeln frühzeitig ein intuitives Verständnis für sprachliche Strukturen. Dadurch fällt es ihnen später leichter, weitere Fremdsprachen zu erlernen“, erklärt Dr. Hanna Bergmann, Sprachpsychologin aus Wiesengrund. Sie weist darauf hin, dass mehrsprachige Kinder außerdem flexibler denken, kreativer handeln und im Allgemeinen über eine bessere kommunikative Kompetenz verfügen.
Allerdings betont die Expertin, dass nicht jeder sprachliche Impuls automatisch positiv ist. Dr. Bergmann, die selbst aus Österreich stammt, hat ihre eigenen Kinder zweisprachig erzogen. „Die Mehrsprachigkeit funktioniert vor allem dann gut, wenn das Kind eine emotionale Beziehung zur jeweiligen Sprache aufbauen kann“, sagt sie. Eltern sollten daher ehrlich überlegen, welche Sprache ihnen persönlich am nächsten liegt. Wer sich selbst mit einer Sprache unwohl fühlt, könne diese nicht überzeugend an das Kind vermitteln.
Die Psychologin ist skeptisch, wenn Eltern ihre Kinder allein aus akademischen Motiven mehrsprachig erziehen möchten. „Erfolg in der Schule sollte nicht der primäre Grund für Mehrsprachigkeit sein. Viel wichtiger ist, dass die Sprache für das Kind emotional bedeutsam und sozial eingebettet ist“, erläutert Dr. Bergmann. Gründe wie die Herkunft der Eltern, eine Großmutter in Italien oder eine mehrsprachige Erzieherin könnten beispielsweise die emotionale Basis für das Erlernen einer weiteren Sprache schaffen.
Dabei muss laut Dr. Bergmann der erste Kontakt mit einer zusätzlichen Sprache nicht unbedingt im Babyalter erfolgen. „Auch im Kindergartenalter ist der Einstieg noch problemlos möglich. Es gibt kein exakt festgelegtes Zeitfenster, aber generell funktioniert das Erlernen bis etwa zum zehnten Lebensjahr besonders gut“, so die Expertin.
Auch Nina Baumgartner, Leiterin einer deutsch-spanischen Kindertagesstätte in Leipzig, sieht den Einstieg in die Mehrsprachigkeit entspannt. In ihrer Einrichtung sprechen jeweils deutsche und spanische Muttersprachler ganz selbstverständlich ihre Sprache mit den Kindern. „Die Kinder nehmen die zweite Sprache sehr gut an, da sie zu den Erziehern eine starke emotionale Verbindung haben“, erläutert Baumgartner. Sie empfiehlt Eltern, die Mehrsprachigkeit in den Alltag zu integrieren, ohne Druck oder künstliche Methoden anzuwenden. „Es bringt nichts, dem Kind ständig Begriffe zu übersetzen oder Wiederholungen zu fordern. Schließlich lernen Kinder ihre Muttersprache auch nicht auf diese Weise“, sagt Baumgartner. Am besten sei es, wenn eine Bezugsperson ausschließlich die jeweilige Sprache spricht, sodass das Kind sie natürlich aufnimmt.
Dr. Bergmann hält jedoch auch andere Vorgehensweisen für sinnvoll: „Jede Familie muss ihren eigenen Rhythmus finden“, sagt sie. Beispielsweise könne eine französische Mutter zu Hause ausschließlich Französisch mit ihrem Kind sprechen, unterwegs dagegen Deutsch. Wichtig sei eine klare Regelmäßigkeit, die für Kinder und Eltern nachvollziehbar ist.
Eine mögliche Sprachverwirrung oder Entwicklungsverzögerung durch Mehrsprachigkeit hält Dr. Bergmann für unwahrscheinlich: „Auch wenn der Kontakt zur zweiten Sprache unregelmäßig stattfindet, entsteht dadurch kein Nachteil. Schon kleine sprachliche Impulse können das Interesse des Kindes an weiteren Sprachen wecken und langfristig fördern.“