Text für die Aufgaben:

Wir brauchen überall mehr Visionäre

Die Expeditionsleiterin Ella Glück spricht über die Faszination und den Sinn von Grenzerfahrungen.

Das Wort Abenteurerin, wie es in Bezug auf mich so pauschal verwendet wird, habe ich immer ganz anders verstanden. Abenteuer ist für mich etwas, das im Kopf stattfindet. Die Freiheit, das Unmögliche zu denken, Dinge zu wagen, von denen andere erst einmal sagen: Das geht nicht.

Die Freiheit aufzubrechen hat mich schon in meiner Jugend durchdrungen. Und einzutauchen in Naturlandschaften bringt einen auch wirklich vorwärts. Träume, aus denen Visionen entstehen, braucht aber nicht nur das Individuum für sich, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes. Denn Visionen sind es, die Aktivitäten generieren.

Wenn man sich in der Welt umblickt, entdeckt man mannigfaltige Probleme. Wir brauchen daher mehr Visionäre auf allen Gebieten, ganz besonders aber im Umweltschutz und beim Thema Klimawandel.

Die Polarregionen haben mich schon immer fasziniert. Es sind die Regionen, in denen man dem Weltraum am nächsten ist: Ohne Hilfsmittel sind sie eigentlich nicht bewohnbar. Doch ist es nicht mehr unsere Aufgabe, Neuland zu erobern – es gibt heute auch keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte. Die Erde ist entdeckt. Aber es gibt die weißen Flecken auf meiner persönlichen Landkarte. Ich selbst entdecke diese Landschaften und dabei auch mich selbst, indem ich mich mit diesen Naturlandschaften auseinandersetze.

Das gilt in ganz besonderem Maße für eine Nordpolexpedition, die ich 1989 durchgeführt habe. Mit Teilnehmern aus acht verschiedenen Nationen, einem internationalen Team, tausend Kilometer unterwegs über diesen zugefrorenen Ozean – das ist nicht immer nur Spaß. Es ist auch eine Tour der Leiden, mit Erfrierungen und Ähnlichem. Aber man kommt dabei wirklich an die Natur heran. Ich persönlich verbinde sehr viel mit dieser Expedition. Dabei galt tatsächlich der Satz: "Der Weg ist das Ziel." Das Zusammenwirken von acht unterschiedlichen Menschen aus acht verschiedenen Kulturkreisen, die sich zusammenraufen mussten, um diese schwierige Aufgabe zu meistern: Das ist eine Lebensschule.

Wenn man mich fragt: "Wem nützt das?", so ist meine Antwort: Zuallererst nützt es mir. Ich möchte das tun, und ich schade ja durch mein Tun niemandem. Ich realisiere solche Träume, solche Visionen für mich. Ich verstehe diese Expeditionen als eine Plattform, um Menschen Zugang zu diesen Landschaften zu gewähren, Menschen, die nicht selbst vor Ort sein können. Ich reise sozusagen als Stellvertreterin dorthin, ich betreibe Lobbyarbeit für diese Naturlandschaften und die indigenen Völker, die dort leben und immer die Leidtragenden sind, wenn sich etwas verändert.

Ich wollte nie aussteigen oder die Brücken hinter mir abbrechen. Mir ist das Leben hier auch sehr wichtig – Freunde und Familie bedeuten mir viel, und auch die Annehmlichkeiten der Zivilisation weiß ich zu schätzen. Ich glaube, wenn man sich auf Dauer entfernt, versteht man nicht mehr, was die Menschen beschäftigt. Davor hatte ich immer ein wenig Angst. Heute habe ich sie nicht mehr, auch wenn ich einen Teil des Jahres in der Natur verbringe und anderen Gesetzmäßigkeiten unterworfen bin. Auf diesen Reisen in die Natur lernt man Demut – vor der Natur, vor der Schöpfung.

Wir versuchen, unsere Eindrücke auch direkt an junge Menschen weiterzugeben. Im Sommer 2007 gab es auf Spitzbergen ein Jugendcamp, in das selbst Jugendliche aus China reisten, um sich unter wissenschaftlicher Anleitung theoretisches Grundwissen über die Polarregion anzueignen. Im zweiten Teil nahmen wir sie mit hinaus, damit sie praktisch erfuhren, was ein Gletscher ist. Wir wollen die Jugend begeistern für die Einzigartigkeit dieser Natur, damit sie als Botschafter dieser Landschaften in ihre Länder zurückkehren und bei ihren Altersgenossen als Multiplikatoren wirken.

Bald werden wir wieder aufbrechen ins Eis, dann beginnt erneut die Wanderung von dieser Welt in die andere. Ich freue mich sehr darauf – so wie ich mich auch darauf freue, wieder nach Hause zurückzukehren.

Aufgaben:

 

1. Ella Glück findet Visionen wichtig, weil sie

die Menschen dazu bringen, etwas zu tun.

Menschen zeigen, wie man sich beruflich verwirk lichen kann.

Politikern helfen, ihre Ziele umzusetzen.

2. Ella Glück meint, für die Menschen sei es eine Herausforderung,

immer neue Regionen zu entdecken.

in der Begegnung mit der Natur sich selbst besser kennenzulernen.

die Polarregion zu industrialisieren.

3. Bei seiner Nordpolexpedition 1989 war für Ella Glück die wichtigste Erfahrung,

auch in der Kälte Spaß haben zu können.

ein zugefrorenes Meer zu überqueren.

mit Menschen aus verschiedenen Kulturen im Team zu arbeiten.

4. Ella Glück sieht seine Expeditionen als eine Möglichkeit,

sanften Tourismus zu betreiben.

sich für Natur und Bewohner der Polarregionen zu engagieren.

wissenschaftliche Forschungen durchzuführen.

5. Das Ziel vonElla Glück ist es, dass Jugendliche

die Polarregion wissenschaftlich erforschen.

mit ihrem Engagement für die Polarregion andere Jugendliche anstecken.

später Botschafter ihrer Länder werden.