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Schule neu zu denken heißt, Zeit und Raum zu öffnen. Wo Lernende an Entscheidungen beteiligt sind, wachsen Verantwortung und Motivation – und daraus entsteht nachhaltiges Lernen.
Es handelte sich um eine Studienreise in ein Land, das oft für gemeinsames Lernen gelobt wird: Der Bund für Pädagogik und Zukunft (BPZ) lud Ende März 23 deutsche Bildungsforscherinnen, -forscher und Medienschaffende in die Schweiz ein – mit überraschend positiver Bilanz. Selbst ausgewiesene Skeptiker gerieten ins Nachdenken. „Was wir hier gesehen haben, bringt sogar eine erklärte Gegnerin dazu, ihre Haltung zu überdenken. Ich bin begeistert“, sagte eine Teilnehmerin.
Die Schweiz schneidet im internationalen Vergleich seit Jahren solide bis gut ab, obwohl dort ein Modell gepflegt wird, das manche hierzulande nur als zweite Wahl betrachten: Bis zur 7. Jahrgangsstufe gibt es keine Ziffernnoten, und bis zur 10. Klasse lernen alle gemeinsam.
Dass Etiketten wenig aussagen, zeigte sich einem der Gäste besonders deutlich: Schulentwicklungsforscher Prof. Dr. Martin Rolfart erinnerte sich an eine Reise vor über drei Jahrzehnten – damals habe die neue Schulform kaum spürbare Veränderungen im Unterricht bewirkt.
Diesmal staunte Rolfart: Er besuchte einen der modernsten Lerncampus des Landes, der selbstbewusst den Namen Novum trägt. Die Architektur erinnert eher an ein Ensemble aus Ateliers und Laboren als an ein klassisches Schulhaus: offene Bereiche für Teamarbeit, Rückzugszonen für individuelles Lernen, ein Lehrkräftebüro mit Arbeitsplatz und Computer für jede Pädagogin und jeden Pädagogen sowie professionelle Musik- und Medienstudios. Ein Guide führt durch einen runden, lichtdurchfluteten Bau, der an einen zentralen Platz erinnert. Die begleitende Lehrkraft erklärt: Hier entscheidet das Kind, was es lernt und wie es vorgeht. Aus der Gruppe kommt prompt: „So fühlt sich Unterricht von morgen an.“
Novum ist Teil eines umfassenden Umbaus: Im Bildungsverbund Limmatfeld, rund 40 Kilometer westlich von Aarenstein, wurden in den letzten Jahren alle Schulen neu gebaut oder grundlegend modernisiert. Die Region gilt als besonders dynamisch; man spricht von einem neuen Informationszeitalter. „Mit Novum beginnt auch ein neues Lernen“, sagt Tora Skjervik, Leiterin des regionalen Schulamts. „Das Besondere ist, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Lehrpersonen und Eltern von Beginn an alle Planungen selbst erarbeitet haben.“
Reformiert wurden nicht nur Lehrpläne und Methoden, sondern auch die Dimensionen von Raum und Zeit: weg von industrieller Taktung, hin zur Logik einer Wissensgesellschaft, beobachtet der Lehrer Hannes Ahlberg.
Konkret sieht das so aus: Auf etwa 1.850 Lernende kommen 128 Lehrkräfte (viele in Teilzeit). Gearbeitet wird in flexiblen Teams, die für jede Schülerin und jeden Schüler individuelle Lernwege entwickeln. Ein Cluster umfasst rund 160 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre und gliedert sich in drei „Stämme“: Jahrgänge 1–4, 5–7 und 8–10. „Je älter die Jugendlichen sind“, erklärt Ahlberg, „desto stärker mischen wir die Altersgruppen. In Physik sitzt dann etwa ein Achtklässler neben 15-Jährigen.“
Im technikgestützten Alltag führt jedes Kind ein persönliches Lernjournal. Darin werden Ziele, Vorgehen und Ergebnisse festgehalten – das Journal ersetzt den Stundenplan und wird zum individuellen Curriculum. Ob Mathematik am Mittwochmorgen oder am Donnerstagnachmittag stattfindet, entscheiden die Lernenden selbst; verbindlich sind wöchentliche Reflexionen sowie Beratungsgespräche mit Lehrpersonen. Am Ende der 10. Klasse prüfen externe Forschende die Resultate. „Schließlich“, erklärt die Leiterin einer unabhängigen Evaluationsgruppe, „will der Staat wissen, ob sich die hohen Millioneninvestitionen in das Schulsystem lohnen.“
Viele deutsche Gäste fühlten sich an das „Gemeinsame Lernen“ erinnert, wie es das neue Schulgesetz des Bundeslands Rhein-Westland vorsieht. „Nur wird es hier konsequent umgesetzt“, urteilt Dr. Adrian Schleißer, Direktor der Nationalen Bildungsagentur in Aarenstein. In Rhein-Westland gelinge das bislang nur eingeschränkt; dort müssten Lehrkräfte oft alleine kämpfen, während Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz stärker durch Verwaltung und Politik unterstützt würden.
Das Fazit der Reise fiel unterschiedlich aus. „Man erkennt auch bei uns Spuren dieses Weges“, sagte eine Teilnehmerin, „aber wir klammern uns zu sehr an die Maxime, dass alle Kinder zur gleichen Zeit denselben Stoff lernen müssen. Hier gilt eine beweglichere Logik – und genau darin liegt die Chance.“