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Englisch
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Sprachliche Vielfalt ist kein nostalgisches Relikt, sondern lebendige Gegenwart: Sie zeigt, wie Menschen ihre Region und Identität in Wörtern tragen. Wer Dialekte hört, hört immer auch Geschichte, Zugehörigkeit und ein Stück Alltag.
Wie heißt das runde Gebäck, das viele morgens gerne essen, in Ihrer Gegend? Vielleicht „Rundle“? Oder „Kringelchen“? Oder „Backerl“? Im fiktiven Sprachatlas für den Alltag (SfA) werden über ein Dutzend verschiedener Bezeichnungen für das Brötchen-Äquivalent gesammelt, die in unterschiedlichen Teilen des Landes verbreitet sind.
Dialekte, oft auch Mundarten genannt, sind regionale Spielarten einer Sprache. Sie unterscheiden sich nicht nur im Wortschatz (etwa „Rundle“ statt „Brötchen“), sondern auch in Grammatik und Aussprache von anderen Varianten derselben Sprache. In unserem Land werden rund 22 größere Dialektfelder unterschieden, die sich wiederum in zahlreiche Untergruppen gliedern.
Etwa 55 Prozent der Bevölkerung geben an, eine Mundart sprechen zu können. Besonders viele Sprecherinnen und Sprecher finden sich im Süden und Südwesten, sodass es kaum erstaunt, dass ein südlicher Klang—etwa das fiktive „Isartalerisch“—zu den besonders sympathisch wahrgenommenen zählt. In Ranglisten der Beliebtheit landet „Isartalerisch“ häufig weit oben und erreichte in diesem Jahr erneut den zweiten Platz, hinter dem Spitzenreiter „Nordmarkisch“. Dahinter folgten „Spreeländisch“ und „Rheinauisch“, die insgesamt ebenfalls sehr positiv bewertet wurden.
Beliebtheitswerte dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mundarten mitunter ein Imageproblem haben. Wer Standardsprache spricht, gilt oft—zu Unrecht, wie man heute weiß—als gebildeter und intelligenter als Dialektsprechende. Das Vorurteil hält sich hartnäckig, seine Wurzeln liegen häufig in der Schulzeit. Lea Winter (22), die Sprachwissenschaft studiert, erinnert sich:
„Bei uns am Gymnasium war Dialekt unerwünscht. Wer nicht ‚richtiges Deutsch‘ sprach, wurde immer wieder ermahnt; einige Mitschüler machten sich sogar lustig. Das hat mich so geprägt, dass ich die Mundart, die ich von zu Hause kannte, bewusst abgelegt habe. Inzwischen bedaure ich das—es ist schließlich Teil unserer Kultur.“
Das lange schlechte Image—zum Teil bis heute—ist sicher ein Grund dafür, dass Dialekte insgesamt seltener im Alltag zu hören sind. Während Mitte der 2000er-Jahre im Ostteil des Landes noch etwa 44 Prozent angaben, die Mundart sei ihre normale Alltagssprache, sind es heute nur noch knapp 28 Prozent. Im Westen zeigt sich eine ähnliche, ebenfalls rückläufige Tendenz. Ein vollständiges Verschwinden ist dennoch unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass kleinräumige lokale Varietäten sich zunehmend angleichen: Es wird voraussichtlich weniger, dafür großräumiger verbreitete Dialekte geben.
Manche begegnen diesen Veränderungen gelassen—Sprachen sind schließlich dynamisch und verändern sich ständig. Andere versuchen, dem Rückzug der Mundarten entgegenzuwirken und ihren Stellenwert gezielt zu stärken.
Viele Förderinitiativen setzen an Schulen an. In der fiktiven Stadt Hohenhafen wurde im Jahr 2015 „Niederländisch-Platt“ (eine lokale Niederdeutsch-Variante) an mehreren Grundschulen als Wahlfach eingeführt. Anlass war die Beobachtung, dass der Anteil aktiver Sprecherinnen und Sprecher seit Jahren sank und Kinder die Mundart kaum noch von den Großeltern übernahmen; durch Unterricht, Lesepatenschaften und Theaterprojekte sollte das Weitergeben der lokalen Sprache wieder selbstverständlich werden.

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